Modellprojekt Bodendenkmalpflege

Modellprojekt Ehrenamt in der Bodendenkmalpflege Nachlass von Wilfried Titze wird wissenschaftlich aufgearbeitet

Was will das Modellprojekt?

Durch das Modellprojekt sollen Ehrenamtliche bei ihren Tätigkeiten in der Bodendenkmalpflege betreut, unterstützt und gefördert werden.

Um welches Projekt handelt es sich in Schongau?

Hier soll der Teilbereich „Schongauer Schloßberg und Schneckenbichl“ des Nachlasses von Wilfried Titze aufgearbeitet werden.

Wer war Wilfried Titze?

1910 im böhmischen Kreis Jägerndorf geboren, wohnte er von 1946 bis zu seinem Tod 1992 in Schongau. Als Grabungstechniker  für das Landesamt für Denkmalpflege, aber auch im Ruhestand dokumentierte er, was an archäologischen Spuren sichtbar wurde, und führte etliche Grabungen durch. Fast alle archäologischen Erkenntnisse im Raum Schongau und Umgebung sind ihm zu verdanken.
 
Wilfried Titze.
Foto: Archiv der Schongauer Nachrichten.

Wie kam es zu dem Projekt?

Der Historische Verein hat sich, beraten von Dr. Walter Irlinger, Leiter des Bereichs Denkmalerfassung und Erforschung am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, und Dr. Bernd Päffgen, Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität  München, um das Projekt beworben. Hilfestellung bei dem Projektantrag leistete Dr. Sabine Mayer am Landesamt für Denkmalpflege, Referat Z I – Denkmalliste und Denkmaltopographie, Ehrenamt in der Bodendenkmalpflege. Sie betreut auch unser Projekt und ist der Ansprechpartner bei allen auftretenden Fragen und möglichen Problemen.

Informationen zu dem Projekt

Informationen zu dem Modellprojekt sowie zu Ansprechpartnern bietet das Themenheft „Archäologie und Ehrenamt“. Projektantrags- und Fundmeldeformulare als pdf zum Downloaden findet man auf der Homepage des Landesamts für Denkmalpflege unter http://www.blfd.bayern.de/denkmalerfassung/denkmalliste/ehrenamt/index.php


Wer hat den Antrag bewilligt?

Geprüft und bewilligt wurde das Projekt „Wissenschaftliche Aufarbeitung Nachlass Wilfried Titze Schongauer Schloßberg und Schneckenbichl“ von einem Gremium, bestehend aus Vertretern des Landesamts für Denkmalpflege, der Gesellschaft für Archäologie in Bayern, des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege sowie des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst.

Welche Maßnahme wird vom Bayerischen Staat finanziert?

Bezuschusst wird die wissenschaftliche Aufarbeitung des Bereichs Schongauer Schloßberg und Schneckenbichl durch einen oder zwei Archäologen.

Welche ehrenamtlichen Aufgaben stellen sich in dem Projekt?

Der Verein verpflichtet sich dem oder den Archäologen zuzuarbeiten, indem ehrenamtlich Tätige den schriftlichen Nachlass sortieren, die Funde vorsortiert bereitstellen, für die Bearbeitung notwendige Dokumente (Meldungen, Pläne, Zeichnungen) kopieren oder digital erfassen, gegebenenfalls den schriftlichen Nachlass sowie die Funde archivgerecht ordnen und verpacken. Die Ergebnisse der Forschungen sollen in einer Publikation veröffentlicht werden. Deren Druck wird ebenfalls ehrenamtlich vorbereitet.

10. Dezember 2012 Auftaktveranstaltung in Schongau

Um das Projekt zu starten, kamen Dr. Bernd Päffgen, Professor für Vor- und Frühgeschichtliche und Provinzialrömische Archäologie sowie Vorsitzender der Gesellschaft für Archäologie in Bayern, mit den beiden Archäologen, die für das Projekt unter Vertrag genommen werden, nach Schongau. Sie machten sich ein erstes Bild von den vorhandenen Funden sowie den schriftlichen Unterlagen.

Am 10. Dezember startete das Projekt mit dem Besuch von Professor Dr. Bernd Päffgen und den beiden Archäologen, Dr. Marcus Simm und Stefan Hanöffner M.A. (†) (von links), im Schongauer Stadtmuseum. Rechts im Bild Stadtarchivar und 2. Vorsitzender des Vereins Franz Grundner. Foto: Heide-Maria Krauthauf

Außerdem kamen zu diesem ersten Treffen Mitglieder des Historischen Vereins, die sich in das Projekt durch freiwillige Leistungen einbringen möchten. Sie wollten die Archäologen kennen lernen und hören, worin ihre Aufgaben bestehen werden.

Die Archäologen und freiwilligen Helfer des Historischen Vereins, stehend von links: Stefan Hanöffner (†), Dr. Marcus Simm, Professor Dr. Bernd Päffgen, Franz Grundner, Heide-Maria Krauthauf (1. Vorsitzende des Vereins), Gertraud Scharrer; sitzend von links: Dr. Manfred Müller, Christine Appl (†), Katharina Bach und Doris Link. Foto: Schongauer Nachrichten.

Den Bericht der Schongauer Nachrichten über diesen ersten Besuch der Archäologen in Schongau finden Sie unter:
http://www.merkur-online.de/lokales/schongau/nachlass-grabungstechniker-wilfried-titze-wird-erforscht-2665390.html

Wie ging es weiter?

Leider zeigte es sich bald, dass Dr. Simm mit seinem Kollegen durch berufliche Verpflichtungen bzw. Veränderungen bedingt, das Projekt nicht in Angriff nehmen konnte. So musste der Historische Verein sich nach einem neuen  Bearbeiter umsehen.

Ende 2013: Erstes Gespräch mit Dr. Zeune – 2014: Dr. Joachim Zeune übernimmt das Projekt

Der Zufall wollte es, dass der europaweit agierende Burgenforscher und renommierte Mittelalterarchäologe Dr. Joachim Zeune ab Herbst 2013 im Auftrag der Stadt Schongau die Schongauer Stadtmauer untersuchte. Außerdem war er von der Stadt mit der 3D-Visualisierung der Burganlagen auf dem Schloßbergplateau  und dem Schneckenbichl für den Themenweg „Römer und Welfen am Lech“ beauftragt worden.
Im Dezember 2013 kam es auch zu einem ersten Treffen mit dem Historischen Verein und im Frühjahr 2014 entschloss sich Dr. Zeune – zum großen Glück für Schongau und für den Historischen Verein – das Projekt zu übernehmen.

Was leisteten die ehrenamtlichen Helfer

Dr. Manfred Müller sichtete alle Kartons des im Stadtarchiv gelagerten schriftlichen Nachlasses von Wilfried Titze, versah die Akten zum Schloßberg und zum Schneckenbichl mit Signaturen und nummerierte alle Seiten durch. Die freiwilligen Helferinnen fanden sich in Zweierteams zusammen und kopierten alle Akten. Von den Zeichnungen wurden später Scans angefertigt.

Mit welchen Aufgaben wurde Dr. Zeune konfrontiert?

Dr. Zeune musste sich über alle Akten einen Überblick verschaffen, diese auf ihre Aussagekraft hin prüfen und chronologisch wie räumlich einordnen. Dies war keine leichte Aufgabe, da Herr Titze mehrfach und in unterschiedlichen Jahren am Schloßberg und Schneckenbichl gegraben hatte und da es sich um ungeordnet gelagerte und unterschiedlich wichtige Konzepte und Vorarbeiten zu den Meldungen an das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege bezüglich seiner Beobachtungen, Grabungen sowie auch Auffindung von Lesefunden handelte. Darüber hinaus oblag es Herrn Zeune, die wesentlichen Schriftstücke, Zeichnungen, Pläne und Fotos von anderen Unterlagen, Entwürfen zu verschiedenen Publikationen und anderem, was Herr Titze einfach für aufbewahrenswert erachtet hatte, zu trennen.
Im Weiteren musste Dr. Zeune die von Herrn Titze an das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege erfolgten und in den Ortsakten verwahrten Meldungen mit den im Nachlass archivierten Aufzeichnungen vergleichen und die Bestände zusammenführen.

Dr. Brigitte Haas-Gebhard und Dr. Joachim Zeune bei der Durchsicht der Kisten mit den von Wilfried Titze geborgenen mittelalterlichen Funden vom Schongauer Schloßberg und Schneckenbichl im Kellergeschoß der Archäologischen Staatssammlung (ASS) in München. Foto: Heide-Maria Krauthauf.

Ein Problem ergab sich daraus, dass Wilfried Titze nach seiner Pensionierung weiter geforscht und noch einige Grabungen ausgeführt hatte, deren Ergebnisse nicht mehr vollständig an das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege gingen und deren Funde in Schongau verblieben.

Sichtung der Grabungsfunde in der ASS (Archäologische Staatssammlung)

Am 10. Juli 2014 sichtete Dr. Zeune alle in der Staatssammlung in München archivierten mittelalterlichen Grabungsfunde, insgesamt drei Fundkisten, die ihm von Frau Dr. Brigitte Haas-Gebhard bereitgestellt worden waren.

Dabei wählte Dr. Zeune auch jene Funde aus, die so bedeutend waren, dass sie gezeichnet werden sollten, zum Beispiel das „Glasierte Röhrenbruchstück“, das Dr. Zeune als „Tonfigur eines Kriegers mit Schild“ identifizierte.

Fazit der Arbeiten 2014:

Dr. Zeune hat den Nachlass von Wilfried Titze in Schongau zusammen mit den entsprechenden Fundmeldungen im Bayerischen Landesamt gesichtet, die in Schongau wie in der ASS gelagerten Funde begutachtet, die Akten nach Datum und Grabungsplatz geordnet, die Grabungsschnitte so gut wie möglich ermittelt bzw. rekonstruiert und kartiert, das ganze Fund-Material wie die Akten auf ihre Aussagekraft hin ein erstes Mal interpretiert. Dabei zeichnete sich eine völlige Neubewertung und Neueinordnung der auf dem Schloßberg und Schneckenbichl dokumentierten Befunde ab, was durch weitere Untersuchungen und fachliche Analysen im Jahr 2015 untermauert, präzisiert und verfeinert dargestellt werden sollte.

 

Fortsetzung des Projekts im Jahr 2015

Arbeiten der freiwilligen Helfer

Im März 2015 werden alle für die Grabungen aussagekräftigen Fotos gescannt.

Nachdokumentation auf dem Schloßbergplateau und auf dem Schneckenbichl

Dr. Zeune kam zu dem Ergebnis: Die Fundmeldungen und die diese ergänzenden Unterlagen aus dem Titze’schen Nachlass lassen keine genauen Aussagen über die Burganlagen auf dem Schloßbergplateau und auf dem Schneckenbichl hinsichtlich ihrer Zeitstellung und ihrem Verhältnis zueinander zu. Außerdem liegen die Grabungen teilweise Jahrzehnte zurück, ist die Fotodokumentation sehr schlecht. Dr. Zeune erachtete deshalb eine Öffnung der alten Schnitte als sinnvolle, notwendige weitere Maßnahme.
Deshalb suchte der Historische Verein bei der Unteren Denkmalschutzbehörde um eine Nachdokumentation an. Es sollten auf dem Schloßbergplateau ein und auf dem Schneckenbichl zwei alte Grabungsschnitte wieder geöffnet und die Anschlussstellen untersucht werden. Mit Bescheid vom 11. Mai 2015 bewilligte das Landratsamt Weilheim-Schongau die Wiederöffnung von einem Grabungsschnitt oben auf dem Schloßbergplateau in unmittelbarer Nähe der Hütte und von zwei Grabungsschnitten auf dem Schneckenbichl. Zuvor hatten schon die Stadt Schongau und das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege auf Grundlage von verschiedenen Auflagen der „Nachdokumentation“, also der Nachgrabung, zugestimmt.

Grabungskampagne auf dem Schloßberg im Juli 2015

Am Mittwoch und Donnerstag, 1. und 2. Juli, wurde auf dem Schloßbergplateau gegraben, der Freitag fiel leider wegen Regen aus, Samstag und Sonntag, 3.  bis 5. Juli, sowie Mittwoch, 8. Juli, folgte der Schneckenbichl.
Die Arbeiten wurden jeweils von 09:00 bis 12:00 und von 13:00 bis 16:00 Uhr ausgeführt. Es herrschte zum Teil große Hitze, dennoch gingen die Arbeiten zügig voran, waren alle Helfer mit „Feuereifer bei der Sache“.

Die Grabungen leitete Dr. Joachim Zeune, er wurde unterstützt von Thomas Starke. Die organisatorischen Arbeiten hatte Heide Krauthauf übernommen, die Arbeiten an den 5 Grabungstagen koordinierten Mitglieder der Vereinsleitung.

Das nötige Werkzeug wurde dankenswerter Weise von der Fa. Haberstock bereitgestellt und mit einem geländegängigen Fahrzeug angeliefert.
Es fanden sich an die 40 Leute, die im Wechsel freiwillig gruben, den Aushub siebten, auf Schubkarren luden und umsetzten, für andere Hilfsdienste bereitstanden. Außerdem wurden von einigen freiwilligen Helfern Kuchen und Kaffeee gespendet. Alt und Jung fand zu dieser gemeinsamen Aktion zusammen und trotz der teils sehr schweren Arbeit herrschte immer eine gute Stimmung.

Am Donnerstag bekamen wir Besuch von Dr. Sabine Mayer und Dr. Christian Later vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Außerdem besuchten uns Vertreter der Schongauer Nachrichten und des Kreisboten. Ihre Berichte spiegeln die Atmosphäre auf der Grabung und die Leistungen des ganzen Teams.

Die Auffahrt zu den Grabungsorten war nur mit Sondergenehmigungen der Stadt Schongau, der E.ON und der Gemeinde Peiting möglich. Diese Privatstraßen durften in dem  Zeitraum der Grabungskampagne von den Archäologen und den freiwilligen Helfern befahren werden. Für diese Bewilligungen war der Historische Verein sehr dankbar.  

Die Ergebnisse der Nachgrabung wurden nun von den Wissenchaftlern begutachtet und mit den bisherigen Ergebnissen verglichen.

23. Januar 2016 Ganztägiges Symposium Schongau, Ballenhaus

Die Resultate all dieser neuen Forschungen wurden am Samstag, dem 23. Januar 2016, in einem ganztägigen Symposium, das vom Historischen Verein zusammen mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege ausgerichtet wurde, der Öffentlichkeit präsentiert.

Die Gespräschsleitung übernahmen am Vormittag Dr. Walter Irlinger und am Nachmittag Prof. Dr. Bernd Päffgen. Folgende Referate wurden gehalten:

 Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie in Altenstadt, Schongau und Peiting – Ein
Überblick unter der Berücksichtigung der Bedeutung von Wilfried Titze
Referent: Dr. Walter Irlinger, BLfD

Der Blick unter die Oberfläche – Ergebnisse aus dem Einsatz geophysikalischer Methoden an Schloßberg und Schneckenbichl
Referent: PD Dr. Jörg Faßbinder, BLfD

60 Jahre nach dem ersten Fund – Eine Neubewertung der vorgeschichtlichen Besiedlung auf dem Schloßberg und Schneckenbichl mit dem spätestkeltischen und frührömischen Brandopferplatz
Referentin: Dr. Sabine Mayer, BLfD

Die Burg von Peiting – Zu ihrer Geschichte
Referentin: Heide-Maria Krauthauf, Historischer Verein Schongau – Stadt und Land e. V.

Die geologischen Voraussetzungen für die Befestigungsanlagen am Schneckenbichl und Schloßberg
Referent: Dr. Manfred Müller, Historischer Verein Schongau – Stadt und Land e. V.

Die Entwicklung der Schongauer Stadtgründe „enter Lech, bayerhalb“
Referent: Franz Grundner, Historischer Verein Schongau – Stadt und Land e. V.

Die Burganlagen auf dem Schloßberg und dem Schneckenbichl – Eine Neubewertung
Referent: Dr. Joachim Zeune, Mittelalterarchäologe mit Arbeitsschwerpunkt Erforschung mittelalterlicher Burgen in Europa

Themenband der Vereins-Zeitschrift "Der WElf"

Derzeit laufen die Vorbereitungen, um die Forschungsergebnisse einem eigenen Band des WELF zusammenzustellen. Dieser Band soll 2023 erscheinen.